Meine Borderline - Störung trat erst ziemlich spät auf, genau gesagt mit meiner ersten schweren Depression.
Ich habe auf der Arbeit hyperventiliert und wurde mit dem Rettungswagen abgeholt. Ich lag 10 Tage im Krankenhaus und habe fast nur geschlafen. Die Ärzte sagten mir, ich solle mich psychiatrisch behandeln lassen. Als ich wieder zu Hause war, ging es mir so schlecht, dass ich mir mit einem Küchenmesser an den Armen und am Rücken Verletzungen zufügte. Ich wusste selbst nicht, was geschah. Ich hatte Angst, alleine zu Hause zu bleiben und rief sofort in der Psychiatrie an. Zwei Wochen später wurde ich aufgenommen. Zuerst konnte ich nicht mit den anderen essen, weil ich die Geräusche des Geschirrs so laut hörte und immer abwarten musste, bis die meisten fertig waren. Ich war extrem unruhig und habe der Pflege immer gesagt, dass sie die Schublade mit den Messern abschließen sollte, weil ich in ständiger Angst lebte, ich würde da dran gehen. Auf meinem Zimmer hatte ich eine Schere, mit der ich mich verletzte, wenn ich den Druck und die Schmerzen nicht mehr aushielt. Eines Tages lag im Ergotherapieraum ein zerbrochener Teller im Waschbecken. Ich nahm eine Scherbe und ritzte mir den ganzen Unterarm auf. In dem Moment kam eine Mitpazientin in den Raum und schlug sofort Alarm. Ich hatte danach ein Gespräch mit dem Oberarzt der Borderline-Station, der mir riet, mich dort aufnehmen zu lassen. Es war alles so surreal. Die Klinik hat mir Halt gegeben. Als ich entlassen wurde, hatte ich Angst davor alleine zu Hause zu sein. Kurze Zeit später wurde ich dann in der Borderline-Station tagesklinisch aufgenommen. Anfangs war alles noch viel schlimmer. In der Gruppentherapie wurde über Dinge gesprochen, die mich zu dem Zeitpunkt sehr überfordert haben. Es heißt immer, der Klinik Aufenthalt ist erst mal zur Stabilisierung. Viele Patienten hatten traumatische Erfahrungen gemacht. Ich selbst habe sexuellen Missbrauch in der Kindheit und später Gewalt in der Ehe erlebt. Die jüngeren waren meist in unerträglichen Familienverhältnissen aufgewachsen. Dabei durfte über die schlimmsten Dinge gar nicht gesprochen werden, die wurden nur in Einzeltherapie besprochen. Hier wurde mir auch erklärt, inwiefern emotionale Instabilität mit traumatischen Erfahrungen zusammen hängt. Es gab Skill-Training, indem man lernen sollte, wie man sich ablenken kann, wenn der Druck wieder mal so hoch ist. Chilischoten kauen fand ich nicht so witzig. Ihr könnt mir eins glauben, von den Leuten, die da waren, hat sich keiner gerne selbstverletzt. Bei mir war vielmehr der Druck so hoch, dass ich glaubte, ich würde platzen. Es war ein riesiger Schmerz, eine extreme Unruhe, die ich irgendwie aus dem Körperheraus bekommen musste. Damals war es das Ritzen. Danach konnte ich endlich weinen und mich selbst trösten, weil es eine Verletzung war, die real war. Nur sehr langsam ging es mir besser, die Einzeltherapie war auch sehr anstrengend, ich fühlte mich teilweise nicht verstanden und wurde mit sehr unangenehmen Abschnitten meines Lebens konfrontiert. Erst da habe ich verstanden, dass Therapie harte Arbeit ist. Weil ich mich nicht mehr ritzen wollte, habe ich nach einer Alternative gesucht. Ich steckte mir Brennnesseln unter den Pulli, es tat sehr weh, mehr als ritzen, aber es hinterließ keine Wunden oder Narben. Im Nachhinein glaube ich, dass mein innerer Schmerz so tief war, dass er irgendwie nach draußen musste. Der Wunsch, mich zu verletzen, kommt in depressiven Phasen immer wieder, aber inzwischen kann ich besser damit umgehen. Leider gibt es immer noch viele Menschen, die den unglaublichen Schmerz, den die Betroffenen haben, nicht verstehen und ich habe sogar auf einem Seminar mit einem Psychologen gesprochen, der sich sehr negativ und mit Vorurteilen behaftet über seine Borderlinepatienten geäußert hat. Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass ich auch dazu gehöre. Zu meinen Freunden kann ich nur ich sagen, dass ich von ihnen sowohl Verständnis als auch Unterstützung bekommen habe. Sie wussten, dass ich mich in einer schwierigen Krise befand, sie wussten auch, dass ich vieles durchgemacht hatte. Wir habe nimmer über alles geredet und obwohl ich nichts von ihnen erwartet habe, waren sie bei mir. Als ich Angst hatte, alleine zu Hause zu sein, habe ich ein paar Mal bei einer Freundin übernachtet, ich bekam Besuch in der Klinik und am Wochenende wurde ich abgeholt, als ich nicht Auto fahren durfte.
Das war mehr, als ich erhofft hatte, und ich bin ihnen sehr dankbar dafür
Liebe Carina vielen Dank dafür, dass du uns einen kleinen Ausschnitt gezeigt hast wie es dir mit der Erkrankung Borderline geht. Ich wünsche dir weiterhin auf deinem Weg viel Kraft.
Liebe Grüße Marion
Hinweis:Dieser Bericht ist ein Erfahrungsbericht und ersetzt keine professionelle Beratung oder Behandlung. Bei Verdacht auf eine Borderline sollte immer ein Arzt oder Psychotherapeut kontaktiert werden.